Deutliche Tariferhöhungen und verschärfte Bedingungen für Webradios ab 2005

Die GVL ist die "Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutz- rechten mbH" in Berlin. Während die GEMA die Musikurheberrechte der Komponisten, Textdichter und deren Verleger abdeckt, ist die GVL zuständig für die Leistungsschutzrechte der Interpreten und der Tonträgerindustrie.
In den letzten Jahren mussten Internetradios an die GEMA und GVL Beträge zahlen, die nach Hörerzahlen gestaffelt waren. Konnte ein Sender von bis zu 25 Hörern gleichzeitig empfangen werden, musste er im Monat jeweils 25 Euro an die GEMA und GVL zahlen, bei bis zu 250 möglichen Hörern lag der Beitrag bei je 200 Euro usw.
Das Ende von tausenden deutschen Webradios 2005
Wenn es nach der GVL geht, gehören diese fairen und auch von kleinen nicht-kommerziellen Webradios bezahlbaren Beiträge, ab April 2005 der Vergangenheit an. Seit Ende 2004 verschickt die GVL ihre neuen Tarife und Nutzungsbedingungen an die Sender. Der Inhalt dieser Schreiben dürfte das Ende von (schätzungsweise) mehreren tausend lizenzierten Webradios in Deutschland bedeuten.
Über 350 Euro für die Musikindustrie für weniger als 20 Hörer
Eine pauschale Rechnung über die Preiserhöhungen aufzustellen ist kaum möglich, da sie je nach Sender von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig sind und die Tarifgestaltung recht komplex ist (siehe Tabelle unten). Es kann aber durchaus vorkommen, dass ein kleiner nicht-kommerzieller Sender, mit einer durchschnittlichen Hörerzahl von unter 20 Personen, über 350 Euro im Monat an die GVL zahlen muss. Auf die meisten Sender kommt durch die neuen Tarife eine Beitragserhöhung von 300 Prozent oder weitaus mehr zu. (Einige Sender sprechen von über 1000 Prozent).
Damit aber nicht genug. Die neuen Nutzungsbedingungen, die den Internetradios von der GVL auferlegt werden, können nur mit allergrößten Arbeits- und Technikaufwand erfüllt werden, manchmal ist es technisch sogar so gut wie unmöglich sie umzusetzen.
Einige Bedingungen schränken die Sender in ihrer Programmgestaltung ganz erheblich ein. So kann es so genannte "Specials" über bestimmte Gruppen oder Künstler demnächst nicht mehr geben, da es den Sendern untersagt ist, innerhalb von 3 Stunden mehr als vier verschiedene Titel von einem Künstler oder drei verschiedene Titel von einem bestimmten Album zu spielen. Es darf im Programm auch nicht mehr im Voraus gesagt werden, wann ein bestimmter Künstler gespielt wird.
Die Nutzungsbestimmungen sollen hier nicht weiter kommentiert werden, einen Auszug finden Sie unten auf dieser Seite.
Auch Sender für Behinderte, Kinder und Senioren müssen "sterben"
Um es noch mal ganz deutlich zu sagen, natürlich wollen die Webcaster gerne eine angemessene Vergütung an die GEMA und GVL zahlen, aber die neuen Tarife dürften den meisten Sendern das Genick brechen.
Es geht hier auch nicht um kommerzielle Sender von Firmen, sondern um Sender, die von Hobbyradiomachern, ohne finanzielle Absichten, aus rein privaten Mitteln betrieben werden. Sender die durchschnittlich zwischen zehn und wenigen hundert Zuhörern haben. Sender die oft nicht nur "die besten Hits" spielen, sondern Spartenmusik die kein herkömmlicher Sender spielt. Sender für und von Behinderten, Kindern und Senioren. Sender die sich in den letzten Jahren eine kleine Stammhörerschaft aufgebaut haben, wodurch enge Freundschaften abseits des Internets entstanden sind.
Vom Sendersterben wären nicht nur die Radiomacher betroffen, sondern auch Firmen aus den Bereichen "Stream-Hosting", "Web-Hosting", Software, Jingleproduzenten usw.
Inzwischen gibt es Anzeichen, dass auch die GEMA ihre Vergütungssätze 2005 im gleichen Maße anheben wird, dies würde bedeuten, dass die neuen Tarife der GVL für die Hobbyradios nicht mal die Hälfte ihrer Kosten darstellen.
Die Tarife im Überblick
Nachfolgend eine Tabelle, in der die neuen Vergütungssätze und Abrechnungsarten dargestellt sind. Darunter finden Sie zusammengefasst die wichtigsten Punkte aus den neuen Nutzungsbedingungen.


Hier ein zusammengefasster Auszug aus den Nutzungsbedingungen und den Tarifbestimmungen der GVL, die ab April 2005 in Kraft treten sollen:
Webradios müssen der GVL nach jedem Quartal Folgendes mitteilen:
- Die Gesamtdauer ihrer Programme.
- Die verwendeten Tonträger nach Label-Code und Marke.
- Titel, Interpret, Übertragungsdauer.
- Anzahl der gleichzeitigen Hörer und Datum.
- Bei Erwerb einer "multiterritorialen Lizenz" muss außerdem gemeldet werden, in welchen Ländern das Programm gehört wurde.
Webradios dürfen in Sendungen oder auf ihrer Webseite keine Programmvorschau veröffentlichen in der Musiktitel bekannt gegeben werden.
Künstler, die im Programm gespielt werden, dürfen nicht im Voraus genannt werden. Es darf nur angekündigt werden, dass ein bestimmter Künstler innerhalb eines nicht näher bestimmten Zeitrahmens im Programm enthalten sein wird.
Internetradios dürfen innerhalb von drei Stunden nicht:
- mehr als drei verschiedene Titel von einem bestimmten Album spielen.
- mehr als zwei verschiedene Titel von einem bestimmten Album hintereinander spielen.
- mehr als vier verschiedene Titel eines bestimmten Künstlers oder einer Compilation spielen, davon nicht mehr als drei aufeinander folgend.
Sofern es nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist, muss jedes Internetradio durch technische Maßnahmen verhindern, dass Hörer das Programm mitschneiden, Musiktitel herausfiltern oder Aufnahmen vervielfältigen können.
Webradios sollen Maßnahmen der Tonträgerhersteller unterstützen die dazu dienen Musiktitel zu identifizieren und zu schützen. Im Player des Hörers soll der Titel der Musikaufnahme, ggf. der Titel des Albums und der Name des Künstlers angezeigt werden.
Internetradios sollen keine Skip-Funktionen zum Überspringen einzelner Titel, Pause- oder "Rückspul"-Tasten ins Angebot aufnehmen.
Jeder der in irgendeiner Form mit Internetradio zu tun hat, oder es nur gerne hört, wird die Auswirkungen zu spüren bekommen, wenn die neuen Tarife am 1. April 2005 in Kraft treten. Daher ist jeder aufgerufen, dieser Entwicklung nicht tatenlos zuzusehen. Natürlich kann eine Person alleine nicht viel ändern, daher haben sich inzwischen sehr viele Leute, die das Medium Internetradio nicht einfach untergehen lassen wollen, auf der Seite Radioring.de zusammengeschlossen und planen konkrete Aktionen um die neuen Regelungen vielleicht doch noch abzuwenden.
TV-Magazine, Zeitungen, Zeitschriften und Politiker wurden auf das Thema aufmerksam gemacht und es gibt bereits Rückmeldungen die besagen, dass über die Situation berichtet wird, um somit eine breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen.
Ob letztendlich ein befriedigendes Ergebnis dabei herauskommt, ist eine andere Frage, aber um so mehr Personen sich beteiligen, um so größer ist die Chance, dass private Radiomacher nicht ihr letztes Taschengeld für die Musikindustrie opfern müssen, um Musikliebhaber mit "echter Abwechslung" versorgen zu können.
Was kann ich tun und wo bekomme ich weitere Infos?
Jeder kann die oben genannten Medien anschreiben und auf das Thema aufmerksam machen, um so mehr Leute dies tun, um so größer wird das Interesse der Medien sein.
Jeder der sich für das Thema interessiert und sich informieren möchte, kann sich an den Radioring wenden. Der Radioring ist eine Vereinigung von Internetradios, der für seine Mitglieder in den letzten Jahren günstigere Tarife mit der GEMA & GVL aushandeln konnte. Zurzeit ist der Radioring die Plattform, über die konkrete Aktionen und Vorgehensweisen geplant und abgesprochen werden. Eine Beteiligung ist natürlich frei von einer Mitgliedschaft oder irgendwelchen Verpflichtungen.Eines der größten deutschen Internetradios RMNradio hat die Seite
gvl-protest.de erstellt und gibt in Partnerschaft mit mycyberradio.com einen Überblick über die neuen Tarife und Nutzungsbedingungen. Sie bekommen hier auch weitere Infos und können über ein Mail-Formular direkt mit der GVL in Kontakt treten.
- Setzen Sie eine verlinkte Quellenangabe unter den Text: (Quelle: http://www.mycyberradio.com).
- Senden Sie den Link zum Artikel an: webradiotarif@mycyberradio.com
Wichtiger Hinweis:
Trotz sorgfältiger Prüfung sind alle Angaben und Zahlen ohne Gewähr. Wenn Sie ein Webradioprojekt starten möchten, wenden Sie sich an die GEMA & GVL und lassen Sie sich die nötigen Unterlagen zukommen.Ihre Kommentare:
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